26. Oktober 2012

Interview der „BOX“ mit Arndt Klocke

 Arndt Klocke ist seit 2010 Mitglied des Landtages und war vorher Landesvorsitzender seiner Partei. Er ist verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion und ist Vorsitzender des Landtagsausschusses für Wissenschaft und Hochschule. Innerhalb der Grünen Fraktion ist er einer von zwei offen lebenden Queers. Er lebt in Köln-Nippes. Sein Partner ist der Grünen-Politiker Sven Lehmann.

Schon in der letzten Legislaturperiode ist ein „Aktionsplan gegen Homophobie“ vorbereitet worden. Um was geht es hier genau?

Die rot-grüne Landesregierung will einen neuen Aufschlag machen um weiterhin bestehende Diskriminierungen und Benachteiligungen abzubauen. In den fünf Jahren der CDU/FDP Mehrheit ist ja nur noch ein Minimal-Programm von Aktivitäten des Landes gefahren worden. In den zehn Jahren von SPD/Grünen von 95-05 sind viele Dinge auf den Weg gebracht worden, darunter die Landeskampagne „Andersrum ist nicht verkehrt“. Daran soll der neue Aktionsplan jetzt anknüpfen. In zahlreichen Runden ist zusammen mit den Verbänden und Initiativen der queeren NRW-Community ein sehr umfassender Plan von Einzelmaßnahmen aufgestellt worden. Für uns Grüne war meine Landtagskollegin Josefine Paul in diesen Arbeitsgruppen vertreten.

Wie ist denn der aktuelle Stand zum Aktionplan?

Der Aktionsplan ist weitgehend fertig gestellt und muss als nächstes vom Landeskabinett, also der Runde der Ministerinnen, Minister und der Ministerpräsidentin beschlossen werden. Ich persönlich finde den Arbeitstitel „Aktionsplan gegen Homophobie“ nicht sonderlich gelungen. Mir würde zum Beispiel „Aktionsplan für Gleichberechtigung und sexuelle Vielfalt“ besser gefallen. Wir arbeiten ja in erster Linie nicht „gegen“ etwas, sondern „für“ etwas. Vielleicht wird er ja noch geändert, ich würde es begrüßen.

Welche Themen werden Schwerpunkte im Aktionplan?

Die Themen sind so vielfältig wie unser Gesellschaft und unsere Community. Es geht um die Förderung von Vielfalt in der Schule, in der Kultur, im Sport, in der Stadtplanung, bei der Kinderbetreuung etc. Jetzt wird es zunächst darauf ankommen, die Themen und Schwerpunkte in eine Reihung zu bekommen. Rom wurde bekanntlich auch nicht an einem Tag erbaut. Nicht alle der knapp 200 Einzelmaßnahmen lassen sich direkt angehen. Bei der Umsetzung wird man einen längeren Atem brauchen. Auch wegen der begrenzten finanziellen Mittel. Das Land gibt für diesen Politikbereich eine gute Million aus.

Was kann die Politik weiterhin tun, um weitere schwul-lesbische Projekte, z.B. Filmfeste zu fördern in NRW zu fördern?

Unser Ansatz ist, Projekte in die Regelförderung der verschiedenen Ministerien zu bekommen. So wird „Schlau NRW“, die schwul-lesbische Schulaufklärung, nicht vom Frauen- und Emanzipationsministerium gefördert, sondern vom dafür zuständigen Haus. Für schwul/lesbische Filmfeste sollte das Kulturministerium oder die in der Staatskanzlei angesiedelte Medienstabstelle der Ansprechpartner sein. Ich bin der Auffassung, dass man zügig prüfen sollte, ob man Projekte wie „Homocrome“ mit in die Förderung nehmen kann. Schließlich wird dass alljährliche FrauenFilmfestival auch von der Landesregierung unterstützt. Als Mitglied im Kultur- und Medienaussschuss werde ich mich dafür einsetzen.

Wird schwul-lesbisches Leben in den Medien genug und authentisch wiedergegeben? Welches wären die Möglichkeiten von Landespolitik und der Parteien?

Das Land kann sicher über Gremien wie den wdr-Rundfunkrat immer wieder gezielt versuchen, dass Themen gesetzt und nicht ignoriert werden. Außerdem macht das Land eine eigene Öffentlichkeitsarbeit, gibt Broschüren und Infomaterial heraus und präsentiert sich bei Messen, Festen und Empfängen. Die damalige Landeskampagne „Andersrum ist nicht verkehrt“ war fester Bestandteil bei Präsentationen wie dem NRW-Landesfest. Wichtig ist, die Normalität der Themen durch kontinuierliche Bearbeitung deutlich zu machen. Außerdem braucht es weiterhin politische Akteure, die deutlich machen „Ich bin lesbisch/schwul und das ist gut so!“. Als Orientierungshilfe und klares Statement von Offenheit und Selbstbewusstsein ist das weiterhin unverzichtbar.

Wo siehst du Inhalte für eine zukünftige Politik die schwul-lesbisches Leben in NRW unterstützt?

Ich würde einen starken Schwerpunkt auf den Bildungsbereich legen. In Schule und Jugendarbeit ist da immer noch verdammt viel zu tun. Junge Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender verlieren weiterhin viel Kraft und Jahre ihres Lebens mit mühsamer Selbstfindung. Auch wenn es heute durch das Internet einfacher geworden ist, an Informationen zu kommen und Leute kennen zu lernen als noch vor zwanzig Jahren. Während sich junge Heteros locker ab dem 12./13.Lebensjahr verlieben und Beziehungen eingehen, offen auch in der Schule flirten, knutschen und miteinander gehen, ist das für junge Queers weiterhin eine verdammt harte Lebensphase. Die Schule ist bis heute nicht ausreichend darauf eingestellt um richtig auf diese jungen Menschen einzugehen. Ausnahmen bestätigen die Regel, wie zum Beispiel die Düsseldorfer Joseph Beuys Gesamtschule oder das Gymnasium in Köln-Rodenkirchen, die hier vorbildliches Engagement zeigen.

Ein Konfliktpunkt der auch die schwul-lesbische Community berührt, sind etwa Fragen des Interessenausgleich Feiern – Anwohner, geeignete Lokalitäten (Beispiel Odonien in Köln) oder Regulierungen (z.B. von Open Air Veranstaltungen)? Ist hier nicht eine Tendenz zur Überregulierung vorhanden, die letztlich einer bunten Vielfalt auch der schwul-lesbischen Szene schadet?

In der Tat; ich nehme in der Kölner Stadtverwaltung eine Tendenz war, aus den lebendigen Veedeln und der Innenstadt lärmgeschützte Naturparks machen zu wollen. Spaß beiseite.. Aber neben dem notwendigen Interessensausgleich zwischen Anwohnern und feiernden Gästen (Stichwort: Brüsseler Platz) gibt es in den letzten Wochen und Monaten in Köln eine Tendenz seitens des Ordnungsamtes, besonders rigide gegen Partyzonen und Feiern im öffentlichen Raum vorzugehen. Die vorübergehende Odonien-Schließung ist wirklich ein Stück aus dem Tollhaus gewesen. Das man im Blücherpark nach 22h keine Musik mehr hören darf, ist doch auch ein Akt aus Absurdistan. Um diesen Park herum gibt es an zwei Seiten Autobahnen und an zwei Seiten Grünzonen. Natürlich müssen Leute vor Lärm geschützt werden, aber wer es ruhig und idyllisch mag, sollte besser in der Eifel als in Köln-City seine Wohnung beziehen. Innenstädte sind Lebensräume und nicht nur Schlafstädten. Auch das Verbot einer legendären Party wie der „E´de Cologne“, die alljährlich am Sonntag nach der CSD-Parade tausende Euro für die Kölner Aids-Hilfe eingespielt hat, ist wirklich ärgerlich. 

Veranstalter sehen in der anstehenden Gebührenneuordnung der Gema eine große Gefahr für die Vielfalt der Szene. Zudem es ja auch z.B. Benefiz-Veranstaltungen betrifft. Wie ist deine Position hierzu?

Wir Grüne lehnen die Gema-Tarifreform in der vorgelegten Form ab. Sie schadet mit dem neuem Tarifmodell den Club- und Diskothekenbesitzerinnen und  -besitzern und damit auch den Künstlerinnen und Künstlern, die sie vertritt. Die vorgeschlagene Zusammenführung auf nur noch zwei Tarife statt bisher elf würde im Ergebnis zu massiven Kostensteigerungen bei Abendveranstaltungen führen. Denn im Zuge der Veränderung sollen neue Zuschläge eingeführt werden, beispielsweise für Veranstaltungen von mehr als fünf Stunden. Für die Berechnung sollen nur noch zwei Angaben ausschlaggebend sein – die Höhe des Eintrittsgeldes und die Größe der Veranstaltung –, und die Gema geht in ihrer vorgeschlagenen Änderung der Tarifstruktur von ausgelasteten Veranstaltungen aus. Diese Art der Berechnung entspricht in keiner Weise der Realität. Damit gefährdet die GEMA  wirtschaftliche Existenzen im Club- und Diskothekenbereich und riskiert eine kulturelle Verödung in den Szenevierteln vieler Städte oder auch der Club- und Musikszene, natürlich auch in unserer queeren Community.

Interview der „Box“ mit Arndt Klocke, Kölner Landtagsabgeordneter der Grünen: BOX 232 – Okt. 2012

Foto: BOX 232 – Okt. 2012

Die vollständige Ausgabe der „Box“ finden Sie [hier]