19. Februar 2016

Schneller zu Tempo 30 – Dobrindt-Vorschlag ist kein großer Wurf

2015 starben in NRW 521 Menschen im Straßenverkehr, es gab 13.000 Schwerverletzte. An diese traurigen Statistiken hat man sich gewöhnt, genauso an Lärm und Abgase gerade in unseren Städten. Oder doch nicht? Viele Menschen merken, dass die Autofahr-Freiheit – dort wo es trotz Stau noch geht – die Freiheit von Anwohner*innen und schwächeren Verkehrsteilnehmer*innen einschränkt.

Und für uns GRÜNE ist klar: Wer die Vision Zero ernst nimmt und Städte durch weniger Abgase und Lärm lebenswerter machen will, der muss Radverkehr und ÖPNV stärken. Und der muss beim Straßenverkehr etwas ändern, auch bei den Geschwindigkeiten.

Und jetzt: Die Bundesregierung will nun auch mehr Tempo 30-Zonen, wird berichtet. Der CSU-Mautminister schlägt auch mal etwas Vernünftiges vor?

Eine „Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO)“ – klingt erst einmal wenig sexy. Aber für unseren Alltag ist sie schon bedeutend. Denn in Deutschland ist eindeutig geregelt, wo man wie schnell unterwegs sein kann – es steht alles in der Straßenverkehrsordnung. Der Spielraum für die Behörden vor Ort ist eng. Und von der Regel Tempo 50 innerorts kann nur unter bestimmten Bedingungen abgewichen werden, zum Beispiel in verkehrsberuhigten (Geschäfts-)Bereichen. Tempo 30-Zonen sind aber nur auf kommunalen Straßen erlaubt und auch dort nicht auf Vorfahrtsstraßen. Dort, wo erheblicher Lärm oder Abgase oder Gefahr drohen, ist Tempo 30 auf allen Straßen möglich, an Unfallschwerpunkten beispielsweise. Doch Tempo 50 ist die Regel, Tempo 30 nur die Ausnahme.

Was will nun Minister Dobrindt? Ein Blick in den Entwurf zeigt: Der angebliche Vorreiter für Verkehrssicherheit springt zu kurz. Denn es ändert sich nur ein kleiner Teil. Vor KiTas, Schulen, Altenheimen oder Krankenhäusern soll auch auf überörtlichen Straßen das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt werden. Dort gilt Tempo 30 und nur in Ausnahmen Tempo 50. Das ist gut und sinnvoll. Dass die Bundesregierung das mitmachen würde, ist keine Neuigkeit. Vor einem knappen Jahr, im April 2015, antwortete die Bundesregierung bereits auf eine Anfrage der GRÜNEN Fraktion entsprechend.

Nur ist schon heute gerade an Schulen vielfach Tempo 30 bereits vorgegeben. So bringt die Novelle etwas mehr Sicherheit an einigen Schulen und KiTas. Der große Wurf ist sie noch lange nicht. Fehlen KiTa, Schule oder Altenheim in der Nähe, werden die Kommunen weiter nur wenige Möglichkeiten haben, Tempo 30 als Limit auszuweisen. Langsamer fahren auf einer Bundesstraße im Ortskern? Nur möglich bei absoluter Gefahr! Kommunale Vorfahrtsstraßen in Tempo 30-Zonen einbeziehen? Verboten!

Fachleute und Verbände wissen das. Sie fordern deutlich mehr Tempo 30-Bereiche bis hin zur Regelgeschwindigkeit. Auch die Kommunen hätten zumindest gerne mehr Flexibilität. Der ADFC hat Argumente und eine beeindruckende Liste von Befürwortern zusammengetragen. Auch die Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister der Länder haben auf ihrer Konferenz im Oktober 2015 in Kiel mit einem Beschluss deutlich gemacht, dass mehr getan werden müsste, als es die Bundesregierung jetzt plant.

Denn eines ist klar: Die Straßenverkehrsordnung wird nicht alle paar Monate novelliert. Und der aktuelle Etikettenschwindel von Verkehrsminister Dobrindt könnte dazu führen, dass die dringend nötigen Erleichterungen beim Tempo 30 auf die lange Bank geschoben werden. Das darf nicht sein.

Wir GRÜNE wollen Städte und Ortskerne attraktiver machen. Wir wollen, dass Kommunen überall dort in Ortskernen Tempo 30 ausweisen können, wo sie es wollen – auch auf Bundes- oder Landesstraßen und auf Vorfahrtsstraßen. Es kann nicht sein, dass erst schwere Unfälle passieren müssen, damit Behörden punktuell handeln können. Mehr Tempo 30 bedeutet mehr Verkehrssicherheit und mehr Lebensqualität. Dafür werden wir GRÜNE uns weiter einsetzen.