10. Mai 2017

NRW-Netz: Grüne fordern landesweit Radschnellwege

  • Ziel bis 2025: 500km neuen Radschnellweg in NRW realisieren und weitere 500km zur Baureife zu bringen
  • Sofortprogramm: 30 Mio. Euro/Jahr + Auftrag an Straßen.NRW, ein konkretes Planungsnetz zu entwickeln
  • Sukzessive Steigerung des Etats
  • Bund muss mehr Mittel aus dem Bundesverkehrswegeplan freigeben

Politik und Verkehrsplanung stehen in NRW unter massivem Handlungsdruck: verstopfte Innenstädte, täglicher Stau und Stress auf Straßen und Autobahnen. Damit einhergehend Umweltverschmutzung, Lärm, Feinstaub und andere Nachteile durch ein Übermaß des Autoverkehrs. Aber auch Busse und Bahnen sind inzwischen streckenweise chronisch überlastet. Der Radverkehr bietet Potentiale und Lösungsoptionen, deren Nutzung unerlässlich sind.

Unser ambitioniertes Ziel ist mittel- bis langfristig ein landesweites Radschnellwegenetz zu realisieren, das ähnlich wie bei klassifizierten Straßen, Städte und Gemeinden miteinander verbindet. Warum dies eine wichtige Investition in eine gesunde, nachhaltige und zukunftsfähige Mobilität mit hohem Mehrwert für Mobilität und Gesellschaft ist, legen wir in diesem Positionspapier dar.

Beste Rahmenbedingungen in NRW vorhanden

Nordrhein-Westfalen ist das Fahrradland Nummer eins in Deutschland. Rund 14.000 Kilometer ausgewiesenes Radverkehrsnetz verbinden die Städte und Gemeinden. Radstationen und der Radroutenplaner sind für viele andere Bundesländer eine Blaupause.

Doch damit nicht genug – der Radverkehr kann einer der Schlüssel sein, um die Verkehrswende in NRW einzuleiten. Mit dem Radschnellweg Ruhr RS1 als bundesweitem Pilotprojekt und sechs weiteren laufenden Radschnellweg-Projekten wie dem Regio.Velo über Bocholt und Rhede hat Nordrhein-Westfalen eine Vorreiterrolle eingenommen. Diese Projekte können aber nur Anfang sein.

Ziel ist analog zu den Niederlanden ein flächendeckendes Netz, in das die bisher in Auftrag gegebenen sieben Trassen zu überführen sind.

Radschnellwege als Entlastung und multifunktionale Verbindung

Radschnellwege auf Wegen bis 15 Kilometer Länge übernehmen heute teilweise Funktionen wie klassische Straßen. Wenn man bedenkt, dass etwa die Hälfte (4,53 Millionen) der 8,95 Millionen Erwerbstätigen im Jahr 2015 in NRW täglich über die Grenzen des eigenen Wohnortes hinweg zur Arbeit pendelt, dann sieht man die Menschenmassen, die unsere Verkehrsinfrastruktur jeden Tag bewältigen muss.

In ganz Deutschland nutzen von etwa 30 Millionen Pendlern über 60 Prozent das Auto, obwohl gut die Hälfte der Pendler für den Weg zur Arbeit lediglich 10 bis 30 Minuten braucht. Hier setzt das Konzept der Radschnellwege an, denn wenn man sich die Verteilung der Nutzungen der Verkehrsträger auf dem Arbeitsweg anschaut, dann entfallen heute rund zwei Drittel auf den PKW und nur 9 Prozent auf das Fahrrad – ein riesiges Potential, das es zu heben gilt. Auch wird deutlich, dass Radschnellwege per se – und erst recht ein Radschnellwegenetz – zu einer signifikanten Reduktion des motorisierten Pendleraufkommens führen wird, weil das Radfahren auf ihnen sicherer, schneller und komfortabler ist. Damit werden Staus verhindert.

Der klassische Denkansatz, der das Fahrrad vorzugsweise als Verkehrsmittel auf Kurzstrecken bis 3 Kilometer sieht, ist überholt. Mit Radschnellwegen und der steigenden Nutzung von E-Fahrrädern vergrößern sich entscheidend die zurückgelegten Distanzen und diversifizieren sich die Einsatzzwecke. Ein landesweites Radschnellwegenetz wird diese Positiveffekte noch einmal deutlich steigern.

Aber nicht nur für die Strecke zur Arbeit bietet ein Radschnellwegenetz Vorteile, sondern auch für multifunktionale Verbindungen, mit denen sich Potentiale im Tourismus, in der Freizeit, für den Warenverkehr und als Zubringer zum Öffentlichen Verkehr aktivieren lassen. So kann der Kurier- und Warentransportdienste mit dem (Lasten-) Fahrrad stattfinden, insbesondere die teure und kritische „letzte Meile“ kann so kostengünstiger überwunden werden. Radschnellwege sind optimale Zubringer sowohl zum Öffentlichen Personennahverkehr (in Holland werden rd. 45 Prozent aller Zubringerwege zu Bahnstationen mit dem Fahrrad erledigt) als auch eine Chance für den Fahrradtourismus.

Mehr als 8,3 Millionen Freizeitradelnde und Radtouristinnen und Radtouristen – mit deutlich steigender Tendenz – rollen bereits Jahr für Jahr über das Radwegenetz in Nordrhein-Westfalen. Seit 2014 ist die Zahl der Radreisenden in Deutschland um 30 Prozent gestiegen. Allein im Jahr 2016 sind bundesweit 150 Millionen Tagesausflüge mit dem Rad unternommen worden. Mit einer Wertschöpfung von insgesamt 1,3 Milliarden Euro kurbeln die Freizeitradler die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen an.

Planung und Ausbau jetzt starten!

Nicht nur die begonnenen Planungen und Realisierungen müssen nun zügig umgesetzt werden, sondern es gilt nun, sie zu einem NRW-weitem und verknüpften Konzept weiterzuentwickeln.

Radschnellwege sind dabei eine vergleichsweise günstige Infrastruktur. Die Kosten betragen ca. 1-1,5 Mio. Euro pro km Radschnellweg. Zum Vergleich: Ein Kilometer Autobahn kostet mindestens 10 Millionen Euro, in dichtbesiedelten Gebieten wie NRW deutlich mehr. Dass Radschnellwege sich dabei rechnen, zeigt das Nutzen-Kosten-Verhältnis des Radschnellweg Ruhr, das 4,8 beträgt.

Unser Ziel ist, bis 2025 500km neuen Radschnellweg in NRW zu realisieren und weitere 500km zur Baureife zu bringen.

Wir schlagen dazu ein Sofortprogramm vor. Wir wollen als ersten Schritt den Landesetat von derzeit 4 auf 30 Millionen im Jahr erhöhen.

Zeitgleich erteilen wir Straßen.NRW den Auftrag, ein konkretes Planungsnetz zu entwickeln, das die laufenden Projekte, die Hauptpendlerstrecken und die NRW-Großstädte miteinander verbindet. Dabei beziehen wir auch bereits in den Kommunen und Regionen entwickelte Ideen ein und suchen den Schulterschluss mit den Planern vor Ort. Den Landesetat werden wir mit den Planungsfortschritten sukzessive steigern.

Wir erkennen: Radschnellwege sind vollwertige Infrastruktur, die entsprechend finanziert werden muss. Sie helfen intelligent und preiswert dabei, Staus zu vermeiden und Kapazitätsengpässe bei der Bahn zu minimieren.

Allein wird das Land die Aufgabe trotz aller Anstrengungen allerdings nicht schultern können. Wir freuen uns deshalb, dass die Bundesregierung neuerdings auch die Potentiale des Radverkehrs erkannt hat. Allerdings sind die dort angekündigten Investitionen von 25 Millionen Euro pro Jahr bundesweit höchstens eine homöopathische Dose. Bei einem Gesamtvolumen des Bundesverkehrswegeplans von rd. 264,5 Mrd. Euro ist deutlich mehr möglich. Der Bedarf liegt nach eine Abfrage bereits heute deutschlandweit bei 1400 Kilometern. Mit jährlich 25 Millionen Euro würde der GroKo-Schnecken-Ausbau à la Dobrindt also noch gut 84 Jahre dauern. So viel Zeit haben Pendlerinnen und Pendler nicht.

Fazit aus Grüner Sicht

Die ökonomischen wie auch die ökologischen Vorteile liegen auf der Hand und sollten jetzt konkret in Planungen und dann Baumaßnahmen umgesetzt werden. Es bedarf keiner weiteren Forschungen und Kongresse, es muss konkret und die Wende in der NRW-Verkehrspolitik eingeleitet werden.

Die Pendlerinnen und Pendler erfahren unmittelbar eine Entlastung, die sich volkswirtschaftlich positiv auswirkt bei über 388.000 Kilometern Stau auf NRW Bundesautobahnen.

Die Umwelt wird weniger belastet – Fahrräder sind schadstofffrei unterwegs, die Luft in unseren Städten wird sauberer.

Radschnellwege bieten in Ballungsräumen attraktive Perspektiven für die (City)Logistik und Anlieferung auf der letzten Meile sowie auf das ganze Land gesehen für den schnell wachsenden und für viele Regionen wirtschaftlich bedeutsamen Fahrradtourismus.

Wir GRÜNE wollen nicht erst im nächsten Jahrhundert ein Radschnellwegenetz für NRW bauen und nutzen, sondern in den nächsten 10 Jahren.

Eine Übersicht über die derzeitigen NRW-Radschnellwegprojekte findet sich hier.