26. Februar 2019

Rückblick auf Fachveranstaltung „Wie wollen wir wohnen?“

„Wie wollen wir wohnen?“ – unter dieser Überschrift fand am 1. Februar 2019 die große wohnungspolitische Veranstaltung der Grünen Fraktion statt. Etwa 80 Gäste, vorwiegend kommunalpolitisch Aktive aus NRW, informierten sich über die Situation des Wohnungsmarktes, Mieterrechte und Best-Practise-Beispiele gegen Wohnungsnot und Leerstand.

Zu Beginn berichtete Prof. Dr. Spars von der Bergischen Universität Wuppertal über die unterschiedlichen Entwicklungen des Wohnungsmarkts der Kommunen in NRW. (Präsentation siehe hier). Vor allem in den Städten und Ballungszentren, die auch in den nächsten Jahren noch weiter wachsen werden, gibt es so gut wie keine bezahlbaren Wohnungen mehr auf dem Markt. Ursachen sind neben dem viel zu geringen Neubau auch gesellschaftliche Veränderungen. Vor allem in den Städten leben die meisten Menschen alleine in einer Wohnung, Familien mit Kindern sind eher in den ländlichen Kreisen die klassische Lebensform. Entsprechend unterschiedlich entwickeln sich auch die einzelnen Regionen, die meisten verzeichnen Bevölkerungszuwachs, in anderen ist aber auch ein Schrumpfungsprozess zu verzeichnen. Besorgniserregend ist vor allem die Entwicklung des preisgebundenen Wohnungssegments, hier hat es in den letzten Jahren einen erheblichen Rückgang gegeben, der sich absehbar noch fortsetzt und damit die Wohnungsnot weiter verschärft.

Nach der Keynote von Prof. Spars fanden zwei unterschiedliche Panels statt. Das erste Panel beschäftigte sich mit den Möglichkeiten, in angespannten Wohnungsmärkten mehr Wohnraum zu schaffen. Die Düsseldorfer Planungsdezernentin Cornelia Zuschke, Jürgen Mauel von der kommunalen Wohnungsgesellschaft GAG Köln, der Planungsdezernent Matthias Peck aus Münster, Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag NRW und Christian Gaumitz der Wohnungsbaugesellschaft Vonovia stellten jeweils dar, mit welchen Konzepten sie vor Ort den Problemen begegnen. Dabei zeichnete sich vor allem ab, dass das größte Hindernis für den Wohnungsneubau die mangelnden verfügbaren Flächen sind.

Im zweiten Panel wurde sich darüber ausgetauscht, wie man Wohnungsleerstand und verödeten Ortskernen in Regionen mit schrumpfender Bevölkerung begegnen kann. Der Planungsdezernent des Regionalverbands Ruhr (RVR), Martin Tönnes sowie Oliver Niermann vom Verband der Wohnungswirtschaft (VdW NRW) diskutierten mit den Teilnehmer*innen über Möglichkeiten der Attraktivierung von Gemeinden und mit welchen Maßnahmen man Überalterung der Bevölkerung und Wegzug von Arbeitskräften begegnen kann.

NRW-Landesvorsitzende Mona Neubaur stellte im Anschluss das Grüne Wohnungspolitik-Papier vor, das im letzten Jahr auf dem Parteitag beschlossen wurde.

In der darauffolgenden Plenumsdiskussion wurden die einzelnen Konzepte noch einmal zusammengetragen und diskutiert. Dabei kristallisierten sich folgende Handlungsoptionen für die Landes- und Kommunalpolitik heraus:

  • Wichtigste Akteure in der Wohnungspolitik sind die Kommunen. Sie müssen entsprechend unterstützt werden, um aktiv in den Wohnungsmarkt eingreifen zu können. Dabei spielen insbesondere kommunale Wohnungsbaugesellschaften eine entscheidende Rolle. Die vorhandenen Gesellschaften müssen in die Lage versetzt werden, Flächen zu kaufen und bebauen zu können. Wo es bislang keine kommunalen Wohnungsbaugesellschaften gibt, sollen neue gegründet werden und Wohnungsbaugesellschaften anderer Kommunen tätig werden dürfen. Dafür muss das Land entsprechende finanzielle Förderungen bereitstellen und außerdem die Voraussetzungen schaffen, dass auch Kommunen in der Haushaltssicherung in Flächen und Wohnungsbau investieren dürfen.
  • Es sollten keine privaten oder städtischen Flächen mehr bebaut werden, ohne dass ein Bebauungsplan oder ein städtebaulicher Vertrag einen Anteil an preisgebundenem Wohnraum verbindlich regelt. Kommunaleigene Flächen sollten möglichst nur noch in Erbpacht vergeben werden, außerdem nur nach Vorlage von entsprechenden Konzepten. Es sollten keine (privaten) Flächen mehr verkauft werden dürfen, ohne dass die Kommune nicht mindestens 50 Prozent dieser Flächen erhält (Beispiel Münster).
  • Um Flächen für den Wohnungsbau zu erhalten und neu zu generieren soll ein revolvierender Fonds eingesetzt werden, der den Ankauf von Flächen ermöglicht. Damit soll eine vorsorgende kommunale Bodenvorratspolitik etabliert werden, um Wohnungsnot aktiv begegnen zu können.
  • Wichtige Akteure auf dem Wohnungsmarkt sind auch Genossenschaften und private Baugruppen. Hier muss es Förderungen geben, damit auch ärmere Familien oder Einzelpersonen die Anteile für die Gründung einer neuen Genossenschaft oder Baugruppe aufbringen können. Dazu müssen die Förderbestimmungen der NRW-Bank geändert und bspw. das „Baukindergeld“ dafür geöffnet werden.
  • Die geltenden Mieterschutzregelungen des Landes darf die schwarz-gelbe Landesregierung nicht einfach auslaufen lassen. Die Grünen unterstützen ausdrücklich das Bündnis „Wir wollen wohnen“ und deren Petition, die sich für den Erhalt dieser Regelungen einsetzt und für mehr sozialen Wohnungsbau.
  • Hindernisse für den Wohnungsneubau liegen auch in den umfangreichen und schwer einzuhaltenden Brandschutzverordnungen, den langen Baugenehmigungszeiten und vor allem den hohen Baukosten. Hier ist dringend Abhilfe zu schaffen, außerdem könnte durch die Genehmigung von seriellem Bauen preiswert und zügig neuer Wohnraum entstehen.
  • Durch den Ankauf von Bindungen durch die Kommunen könnte dem Verlust von preisgebundenem Wohnraum entgegengewirkt werden. Dabei sollten Belegungsrechte weiterhin möglich seien, zum Beispiel, dass sich die Vermieter aus drei Vorschlägen der Kommunen jeweils einen passenden Mieter aussuchen können.
  • Entscheidend ist auch, den Wohnungsmarkt nicht entlang von Gemeindegrenzen, sondern regional zu betrachten. Dazu ist es erforderlich, dass im Landesentwicklungsplan ausgewiesene Wohnungsbauflächen auch von Nachbarkommunen genutzt werden können, ohne dass dies zu negativen Auswirkungen hinsichtlich Gemeindefinanzierung etc. führt. Hier ist die interkommunale und regionale Zusammenarbeit auch von Landesseite aus zu fördern.